Umsatzsteuerliche Neuerungen bei Online-Angeboten
Viele Unternehmen haben auf die Corona-Krise Anfang des Jahres 2020 mit einer Umstellung ihrer Leistungsangebote von „Präsenz“ auf „Online“ reagiert. Seitdem ist die Bereitstellung von Online-Angeboten massiv angestiegen. Das hat auch Auswirkungen auf die Umsatzbesteuerung.
Neue Regeln gelten ab 1. Juli 2024
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Verwaltungsauffassung zu den umsatzsteuerlichen Regelungen bei entsprechenden Leistungen aktualisiert und damit für akuten Handlungsbedarf bei den betroffenen Unternehmen gesorgt. Denn die neuen Regelungen gelten bereits seit dem 1. Juli 2024. Somit sind in vielen Fällen eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der bisherigen Vertrags- und Preisgestaltung und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen erforderlich, um sich an die neuen umsatzsteuerlichen Gegebenheiten anzupassen.
Aktuelles BMF-Schreiben für Online-Angebote
Das BMF unterscheidet in seinem neuen Schreiben vom 29. April 2024 bei Leistungen gegenüber Endverbrauchern (Business-to-Customer – kurz: B2C) zwischen der Bereitstellung von
- vorproduzierten Inhalten (Aufzeichnungen von Veranstaltungen) und
- Live-Streaming von Veranstaltungen vor Ort in Echtzeit
in digitaler Form.
Vorproduzierte Inhalte
Bei vorproduzierten Inhalten, wie Videos, Präsentationen, Musik o. Ä. soll es sich laut BMF um auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen oder um Leistungen von Rundfunk- oder Fernsehsendern handeln. Damit ist der Übertragungsweg im Grunde genommen irrelevant.
Bei B2C-Leistungen gilt das sogenannte Bestimmungsortprinzip (Leistungsort am Wohnsitz bzw. Sitz des Leistungsempfängers) nur, wenn der Endverbraucher
- im Drittstaat sitzt;
- in einem anderen Mitgliedstaat sitzt und die 10.000-Euro-Grenze überschritten wird bzw. wenn auf die Anwendung verzichtet wird.
In diesem Fall kann das sogenannte One-Stop-Shop-Verfahren genutzt werden, um die Umsatzsteuer abzuführen, die gegenüber anderen Mitgliedstaaten der EU geschuldet wird.
Andernfalls gilt bei B2C-Leistungen als Leistungsort der Sitzort des leistenden Unternehmers.
Achtung: Bei vorproduzierten Inhalten kommen Steuerbefreiungen bzw. der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 Prozent Umsatzsteuer laut BMF grundsätzlich nicht in Betracht!
Hinweis: Wird die Leistung gegenüber einem anderen Unternehmer erbracht (Business-to-Business – kurz: B2B), gilt der Sitzort des Leistungsempfängers als Ort der Leistung. Liegt der Leistungsort im Ausland, schuldet der Leistungsempfänger dort die Umsatzsteuer nach dem sog. Reverse-Charge-Verfahren.
Live-Streaming von Veranstaltungen
Beim Live-Streaming von Veranstaltungen handelt es sich laut BMF grundsätzlich um sonstige Leistungen für kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Leistungen. Das BMF bestimmt hierzu, dass sich der Leistungsort nach dem Ort richtet, an dem der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder seinen Sitz hat (Bestimmungsortprinzip).
Liegt der Ort der Leistung nicht in Deutschland, wird die Umsatzsteuer im Ausland in der Regel vom Leistenden geschuldet. Dabei kann das sogenannte One-Stop-Verfahren genutzt werden, um die Umsatzsteuer abzuführen, die gegenüber anderen Mitgliedstaaten der EU geschuldet werden.
Bei begünstigten Einrichtungen ist die Steuerbefreiung für Umsätze folgender Einrichtungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts anwendbar: Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre, Museen, botanische Gärten, zoologische Gärten, Tierparks, Archive, Büchereien sowie Denkmäler der Bau- und Gartenbaukunst. Gleiches gilt für entsprechende (digitale) Eintrittsberechtigungen.
Hinweis: Wird die Leistung gegenüber einem anderen Unternehmer erbracht (B2B), gilt ebenfalls der Sitzort des Leistungsempfängers als Ort der Leistung. Liegt der Leistungsort im Ausland, schuldet der Leistungsempfänger dort die Umsatzsteuer nach dem sog. Reverse-Charge-Verfahren.
Besonderheit bei Kombiangeboten
Oftmals werden verschiedene Leistungsbestandteile von Veranstaltungen kombiniert (Eintrittsberechtigung vor Ort, Live-Stream und/oder Video-On-Demand). Sofern es sich dabei um selbständige Leistungen handelt, sind diese jeweils gesondert zu beurteilen. In diesem Fall gelten laut BMF im Grunde die bekannten Regelungen zur Aufteilung von Entgelten. Achtung: Hierbei kann sich jeweils auch der Ort der Leistung unterscheiden, so dass hier ganz genau geprüft und ggf. aufgeteilt werden muss.
Vorsicht ist aber bei Leistungen eigener Art (bspw. Streaming und anschließender Download der Aufzeichnung) geboten, weil diese einheitlich zu beurteilen sind. Denn für solche Leistungen werden aus Sicht des BMF keinerlei Steuervergünstigungen (Steuerfreiheit oder ermäßigter Umsatzsteuersatz) gewährt. Das gilt insbesondere, wenn die einzelnen Leistungen nicht separat angeboten werden. Um eine entsprechende Vergünstigung nicht zu gefährden, sollten die Einzelleistungen daher unbedingt auch einzeln angeboten werden.
Besonderheiten bei Leistungsketten
Sofern andere Unternehmer bzw. externe Veranstaltungsportale in die Übertragung einbezogen werden, kann es sich um eine sogenannte Dienstleistungskommission handeln. Die Leistung wird dann also nicht gegenüber dem Endverbraucher, sondern gegenüber dem entsprechenden Portal erbracht. Hat das jeweilige Portal keine Betriebsstätte in Deutschland, kann das dazu führen, dass die Leistung in Deutschland nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Im Ausland greift dann das Reverse-Charge-Verfahren. Das ist insbesondere für Streamer, Youtuber und Influencer relevant.
Umsatzsteuerliche Vergünstigungen (Steuerbefreiungen oder der ermäßigte Steuersatz) können dabei in der Leistungskette mitunter weitergegeben werden. Dies muss aber individuell geprüft werden.
Bildungsbereich und Gesundheitsbereich
Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind auf die Umsatzsteuerbefreiungen im Bildungsbereich (unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen) bzw. im Gesundheitsbereich (Heilbehandlungsleistungen) entsprechend anzuwenden.
Beratungsbedarf erkennen
Wie man an diesem kleinen Teilbereich des Umsatzsteuerrechts sieht, sind die Regelungen sehr komplex. Das neue BMF-Schreiben macht die Anwendung der geltenden Bestimmungen auch nicht einfacher.
Lediglich bei Streamern, Youtubern und Influencern, die ihre Leistungen in der Regel gegenüber einer (ausländischen) Internetplattform (Streamingportale, Messengerdienste etc.) erbringen, kann sich durch das BMF-Schreiben eine Vereinfachung ergeben.
In der Praxis ergeben sich eher viele neue Fragen, die nur im Einzelfall entschieden werden können. Das kann auch eine Änderung der Vertrags- und Preisgestaltung, der Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Ähnliches erfordern.
Hierfür stehen Ihnen die ETL-Steuerberater und ETL-Rechtsanwälte gern zur Verfügung.