Gewinnerzielungsabsicht kann trotz Verlusten vorliegen
Die Abgrenzung zwischen einer Tätigkeit, die als Hobby ausgeübt wird und somit steuerlich unbeachtlich ist und einer ernsthaften, auf die Erzielung von Gewinnen ausgerichteten Tätigkeit ist immer wieder Streitpunkt zwischen Steuerpflichtigen und Finanzamt. So auch im Fall eines Unternehmensberaters, der in den ersten Jahren seiner selbständigen Tätigkeit fast ausschließlich Verluste erwirtschaftete. Ob die notwendige Gewinnerzielungsabsicht vorlag und die Verluste somit steuerlich zu berücksichtigen waren, hatte das Finanzgericht Münster in seinem Urteil vom 13. Juni 2023 (2 K 310/21 E) zu entscheiden.
Der Steuerpflichtige ist Diplom-Kaufmann und besitzt verschiedene weitere berufliche Qualifikationen. Er war bis zu seiner Kündigung im Jahr 2015 als Unternehmensberater im Projekt- und Prozessmanagement angestellt tätig. Seit dem Jahr 2014 war er ebenfalls selbständig als Unternehmensberater tätig. In diesem Zusammenhang übte er auch eine Dozententätigkeit mit dem Schwerpunkt Arbeitspsychologie an einer Hochschule aus und promovierte zudem.
In den Jahren 2014 bis 2018 erklärte der Steuerpflichtige in seinen Einkommensteuererklärungen Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die das Finanzamt jedoch mangels vorliegender Gewinnerzielungsabsicht nicht berücksichtigte. Das Finanzamt war der Auffassung, die geringen Betriebseinnahmen und die Dozententätigkeit lassen darauf schließen, dass der Kläger sich seiner Tätigkeit als Unternehmensberater nicht mit der Intensität gewidmet habe, wie es von einem Gewerbetreibenden zu erwarten sei. Die Tätigkeit des Klägers stelle keine ernstzunehmende Tätigkeit dar, die auf Dauer gesehen dazu geeignet und bestimmt sei, mit Gewinn zu arbeiten. Der Steuerpflichtige habe die über mehrere Jahre anlaufenden Verluste in nicht unerheblicher Höhe allein durch die hohen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seiner Ehefrau kompensieren und finanzieren können. Das private Motiv für die Hinnahme der Verluste über einen längeren Zeitraum sei die Minderung der Einkommensteuerschuld der Kläger gewesen.
Dem widersprach der Steuerpflichtige. In den Streitjahren habe er maßgeblich an seinem Außenauftritt gearbeitet und verschiedene (Werbe-)Maßnahmen ergriffen. So habe er eine Homepage erstellt, Kontakte in sozialen Netzwerken geknüpft, Veranstaltungen zum Netzwerken besucht und sei Mitgliedschaften sowie Kooperationen eingegangen. Für seine Tätigkeit sei es erforderlich, Zugang zu Führungspersonen zu bekommen. Mithin habe er „Aushängeschilder“ oder „Türöffner“ benötigt. Daher habe er ein Promotionsstudium und auch eine Dozententätigkeit aufgenommen, da beides von den Führungspersonen häufig auch selbst ausgeübt werde.
Das Finanzgericht schloss sich der Argumentation des Klägers an und erkannte die ausgeübte Tätigkeit als selbständige Tätigkeit als beratender Betriebswirt an. Die Verluste seien steuerlich zu berücksichtigen. Die Gewinnerzielungsabsicht war für das Finanzgericht nach Würdigung aller Gesamtumstände gegeben.
So kann ein Beweisanzeichen für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht eine Betriebsführung sein, bei der der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen dazu geeignet und bestimmt ist, mit Gewinn zu arbeiten. Für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht trotz langjähriger Verluste kann sprechen, dass der Steuerpflichtige hierauf reagiert und Maßnahmen ergriffen hat, um die Gewinnsituation zu verbessern.
Bei neu gegründeten Betrieben, wie im Streitfall zu Beginn des Jahres 2014, spricht der Beweis des ersten Anscheins grundsätzlich für eine Gewinnerzielungsabsicht. Verluste der Anlaufzeit können nur dann steuerrechtlich nicht anerkannt werden, wenn aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebes eindeutig feststeht, dass der Betrieb von vornherein nicht in der Lage war, nachhaltige Gewinne zu erzielen und deshalb nach objektiver Beurteilung von Anfang an keine Einkunftsquelle im Sinne des Einkommensteuerrechts dargestellt.
Die Anlaufzeit eines neu aufgebauten Betriebs ist je nach der Eigenart betriebsspezifisch festzulegen und beträgt grundsätzlich fünf Jahre. Diese hat der Kläger in den Streitjahren nicht überschritten. Zudem hat der Kläger nach Ansicht des Finanzgerichts hinreichend dargelegt, wie seine berufliche Tätigkeit als selbständiger Unternehmensberater in den Streitjahren ausgesehen und welche verschiedenen Maßnahmen er ergriffen hat. Dieses Betriebskonzept ist belastbar und jedenfalls dem Grunde nach geeignet, zukünftig Gewinne zu erwirtschaften.
Auch der ehemalige Arbeitgeber des Klägers war ernsthaft davon ausgegangen, dass der Kläger mit seiner selbständigen Tätigkeit als Unternehmensberater Erfolg haben könnte. Dafür spricht das Wettbewerbs- bzw. Kontaktverbot hinsichtlich der von dem Kläger im Rahmen seiner Angestelltentätigkeit beratenen Führungspersönlichkeiten. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Verluste aus persönlichen Beweggründen hingenommen worden sind.
Allein die Möglichkeit der Verrechnung mit anderen positiven Einkünften der Ehefrau lässt nicht Schluss zu, dass eine Tätigkeit aufgrund persönlicher Neigungen oder Gründe ausgeübt wird.